Ausgestorben oder gut versteckt? - NABU sucht den "Schereschliffer"

Blutaderzikade (Vincent Derreumaux, galerie-insecte.org)
Blutaderzikade (Vincent Derreumaux, galerie-insecte.org)

"Ssst....Sssst.....Sssst....
Srrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr!"

 

Rainer Michalski von der NABU-Regionalstelle Rheinhessen-Nahe konnte kaum glauben, was er da Anfang Juli am Bahnhof Gensingen-Horrweiler hörte: "Das war eindeutig eine Singzikade. So laute Insektengesänge kannte ich bisher nur vom Urlaub am Mittelmeer. In Rheinhessen ist das etwas ganz besonderes."

HIER DIE TONAUFNAHME HERUNTERLADEN

 

Mit seinem Handy machte der Naturschützer eine Tonaufnahme. Im Austausch mit den Experten Hans-Georg Folz von der GNOR und Dr. Carsten Renker vom Naturhistorischen Museum Mainz wurde schnell klar: Es handelte sich um die sehr seltene Blutaderzikade Tibicina haematodes. Sie lebt auf Büschen und Bäumen in den wärmsten Lagen. Mit Schallmembranen erzeugen die Männchen schrille, laute Töne, um Weibchen anzulocken. Die stummen Weibchen legen ihre Eier in der Rinde von Bäumen und Sträuchern ab. Wenn die Larven schlüpfen, graben sie sich im Boden ein und leben für mehrere Jahre an Pflanzenwurzeln.

Noch vor 100 Jahren in Teilen Rheinhessens und an der unteren Nahe wohlbekannt, steht das früher von Winzern und Landwirten wegen seines charakteristischen Gesangs "Schereschliffer" (Scherenschleifer) genannte Insekt bei uns heute vielleicht kurz vor dem Aussterben. Gerade einmal zwei gesicherte Meldungen wurden in den letzten 20 Jahren in der wissenschaftlichen Fachliteratur veröffentlicht. In den Neunzigerjahren gab es Meldungen aus Planig und Zotzenheim, davor 50 Jahre nichts. Eigentlich erstaunlich für ein so auffälliges Tier, das mit bis zu 4 cm Länge zu den größten heimischen Insekten zählt.

 

"Anfang des 20. Jahrhunderts kam die Blutaderzikade noch im Raum Alzey, bei Gumbsheim, Nierstein, Oppenheim und an der unteren Nahe vor. Vielleicht ist sie dort auch heute noch vertreten", meint Michalski und bittet die Bevölkerung um Mithilfe. „Weitere Hinweise zu diesem Juwel der heimischen Fauna sind uns sehr willkommen. Haben Sie etwas Ähnliches gehört? Dann schreiben Sie uns, rufen Sie uns an oder schicken Sie eine E-Mail.“- 

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Tonaufnahme der Blutaderzikade in Gensingen
Blutaderzikade-Bhf-Gensingen-021714-Rain
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